Lehren schwungvoll über Bord geworfen

Die sonntägliche Route des Ostermarsches von Essen über Gelsenkirchen, Wattenscheid und Herne nach Bochum wird auf dem Fahrrad zurückgelegt. In Wattenscheid organisiert das Kuratorium „Stelen der Erinnerung“ den Zwischenstopp des Ostermarsches. Geplant war ein Redebeitrag des Bündnisses „Polizeigesetz NRW stoppen“. Die gigantischen Aufrüstungspläne der Bundesregierung lassen auf erheblichen Widerstand hoffen und Repression befürchten. Die Rednerin war verhindert und Felix Oekentorp (Foto) als Sprecher des Kuratoriums übernahm den Part. Seine Rede im Wortlaut: »Zunächst muss ich die Kollegin aus dem Bündnis entschuldigen, sie musste aus familiären Gründen kurzfristig absagen und hat mir auch kein Manuskript geben können. Deshalb habe ich mir kurzfristig vor dem Hintergrund, dass ich auch in dem Bündnis mitarbeitet habe, zugetraut, ein paar Sätze zum neuen PolizeigesetzNRW zu sagen. Aus den 1000 Jahren von 1933 bis 1945 wurden nach dem Krieg einige Lehren gezogen, die derzeit schwungvoll über Bord geworfen werden.

Dazu gehört die strikte Trennung von Polizei und Geheimdiensten, die Unschuldsvermutung und die Sicherheit, nicht eingeknastet zu werden, ohne eine Verurteilung für eine Straftat. In den zurückliegenden Monaten sind in vielen Bundesländern neue Polizeigesetze geschaffen worden, die es ermöglichen, wegen des Verdachts auf Planung von Straftaten oder wegen der Weigerung die Identität preiszugeben, in Gewahrsam genommen zu werden. Die Überwachung von Telefonen und des öffentlichen Raums wird zügig vorangetrieben, Aufenthaltsvorgaben und Kontaktverbote sind auch hier in NRW neu dazugekommen.
Das Bündnis „Polizeigesetz NRW stoppen“ hatte schon im Sommer 2018 eine Großdemo in Düsseldorf organisiert , als die ersten Pläne auf dem Tisch lagen. Danach wurde im Landtag weiter an dem Gesetz geschraubt. Und schließlich lag das Ergebnis vor. Die SPD hatte durchgesetzt, dass gegen die Gewahrsamnahme (ich wiederhole: ohne eine Straftat begangen zu haben) nun anschließend (!!) mit anwaltlichem Beistand vorgegangen werden darf. Damit hielt sie es nun für angemessen, auch – zusammen mit der Koalition aus CDU und FDP dafür zu stimmen. Die AfD enthielt sich, ihr ging das Ganze nicht weit genug.
Die ersten, die mit Gewahrsamnahme von 5 Tagen zu tun hatten, waren Baggerbesetzer im Hambacher Forst. Auch nachdem die Fingerabdrücke unter Zwang genommen waren und damit eine Identitätsfeststellung durchgeführt war, kamen die BesetzerInnen nicht sofort frei. Wie vorher schon von uns gesagt: Bei der Verschärfung des Gesetzes handelt es sich nicht um Maßnahmen zur Terrorabwehr, sondern um die Ermächtigung, Protestierende aus sozialen Bewegungen schikanieren zu können.
Das Bündnis arbeitet weiter, auch wenn das neue Polizeigesetz beschlossen und in Kraft ist. Denn es handelt sich hier um das sogenannte „Sicherheitspaket 1“, d.h. es werden weitere folgen.
Und nicht nur in anderen Bundesländern wurden die Polizeigesetze verschärft, auch „Heimathorst“ hat Skandalöses in seiner Schublade. Es droht, wenn sein Gesetzesvorhaben beschlossen werden sollte, Beugehaft, wenn man der Polizei seine digitale Identität nicht preisgibt, sprich: wenn die Zugangsdaten nicht herausgegeben werden. Die SZ beschrieb es in einem Artikel wie folgt:
„Post von der Polizei; Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr. Sie werden einer Straftat verdächtigt. Bitte übergeben Sie uns Ihren Ausweis, Ihren Schlüsselbund, Ihre Kleidungsstücke und Ihre Brille. Ein Polizeibeamter wird sich in den kommenden Tagen als Sie verkleiden. Er wird sich unter Ihrem Namen bewegen, Geschäfte tätigen, Ihre womöglich kriminellen Freunde und Bekannten näher kennenlernen. Er wird Sie dazu imitieren, er wird Ihre Identität übernehmen. Sie haben vorerst keine Kontrolle darüber. Hochachtungsvoll.“
Wenn ich einen solchen Schrieb der Polizei erwähnt hätte, Ihr würdet mich für übergeschnappt halten, aber genau das ist es doch, was mit den geheimen Zugangsdaten möglich ist, und was der Schreiber in der SZ gut vom digitalen ins reale Leben übersetzt. Es ist dringend geboten, dem etwas entgegenzusetzen, wachsam und aufmerksam zu bleiben und derartige Entwicklungen zu stoppen. Ich bitte Euch darum und vertraue Euch, dass wir das gemeinsam schaffen.«

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