Dein Jahr für Deutschland – Heimatschutz

Der Bundeswehr geht für zukünftige globale militärische Einsätze und gleichzeitige Absicherung der Heimatfront das Personal aus. Alle Versuche, Freiwillige zum Sterben zu werben, reichen nicht aus. Noch schrecken die Verantwortlichen im Kriegsministerium davor zurück, die Aussetzung der Wehrpflicht wieder rückgängig zu machen.
Die Bundeswehrsoldat*innen sollen nun mit einer auch bisher in Veröffentlichungen des Kriegsministeriums propagierten Mischung aus bewaffneten Rot-Kreuz-Helfer*innen und barmherzigen Samariter*innen dargestellt werden, die für die Bananen unserer Kinder und Hilfen bei Pandemien  sorgt.

Die Bundeswehr – dein Freund und Helfer

„Dein Jahr für Deutschland – freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz“ soll zunächst in eine 7-monatige militärische Grundausbildung und anschließend 6 Jahre „Dienst für Deutschland“ gegliedert sein. In diesen Jahren müssen noch einmal 5 Monate militärischer Reservedienst geleistet werden. Auslandseinsätze sollen ausgeschlossen bleiben. Dieser Reservedienst soll angeblich heimatnah erfolgen und z.B. die bisher auch schon lauthals propagierten Einsätze bei Waldbränden, Überschwemmungen, Pandemien enthalten sowie militärische Weiterbildungen. In der Hochphase der Corona-Pandemie wurden  nur wenige hundert der durch das Kriegsministerium bereitgestellten 15.000 Soldat*innen gebraucht. Die wenigen fanden in den Main-Stream-Medien allerdings große Beachtung, dienen sie doch der Akzeptanz der Bundeswehr als altruistisch dem Gemeinwohl dienende Institution und somit als dein Freund und Helfer. Und die Kriegsministerin will mit diesem „Argument“ gleich noch mehr Milliarden unserer Steuergelder für Mordinstrumente ausgeben.

Aber insgesamt soll „unser“ Land in „Krisenzeiten“ widerstandsfähiger werden. Mit 1000 Freiwilligen soll im April 2021 begonnen werden, Bewerbungen für Frauen und Männer ab 17 Jahren  sind vom 1.9. (übrigens dem Antikriegstag!) 2020 möglich.

 

Heimatschutz

Heimatschutztruppen der Bundeswehr gab es mit wechselnden Namen seit Bestehen der Bundeswehr (Fotosammlung der Bundeswehr (2)).

Heimatschutz ist aber auch längst ein Begriff aus der Sprache der dem NSU nahe stehenden Nazis. Sicher werden sich Identitäre, Heimattreue Jugendliche, extrem rechte junge Biodeutsche angesprochen fühlen, etwas zum Schutz der Heimat zu leisten – die wird ja von Migrant*innen noch und noch bedroht. Der Minister des Innern ist ja auch Minister für die Heimat. Und was der zur „Mutter aller politischen Probleme“ erklärt hat, nämlich die Migration, ist immer schon im kollektiven Bewusstsein verankert gewesen und wird ministeriell abgesegnet.  Bei der Bundeswehr werden entsprechende Jugendliche nicht nur eine Ausbildung an Waffen erhalten, sondern sie werden vor allem auch erst mal nicht in durch Corona noch verschärftere Berufsausbildungsmiseren geraten und auch noch 1400 Euro netto verdienen. Das Motto der Kriegsministerin beim Gelöbnis 2020 ausgerechnet im Bendler-Block in Berlin war „Ehre, Treue, Tapferkeit, Soldatentum“. Auch diese deutschen Tugenden dürften  auf fruchtbarem rechtem Boden vorhanden sein. Gleichzeitig wird ein Angebot geschaffen, nicht in Auslandseinsätze kommandiert zu werden und da eventuell sogar sein Leben zu riskieren. Zynisch gesprochen gibt es auch die Bewaffnung von Nazis aus Bundeswehrbeständen „kostenlos“. Jüngst wurde festgestellt, dass 60.000 Schuss Munition, über 100 Dienstwaffen und beim KSK 48.000 Schuss Munition, über 60 kg Sprengstoff und ähnliches fehlen. Wegen extrem rechter Vorfälle will Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) sogar eine KSK-Kompanie auflösen.

 

Konkurrenz zum Freiwilligen Sozialen Jahr oder Freiwilligen Ökologischen Jahr

Die Sprecher der AWO und des  Paritätischen Wohlfahrtsverbands haben schon heftig protestiert. Sie sehen ihr freiwilliges soziales Jahr gefährdet. Durch die bessere Bezahlung bei dem „Heimatschutz“ könnten Stellen verloren gehen. Der Begriff „freiwillig“ wird missbraucht.

 

Militarisierung der Gesellschaft

Schnupperkurse bei der Bundeswehr sollen mit „Dein Jahr für Deutschland – Heimatschutz“ angeboten werden. Selbstverständlich besteht die Hoffnung, dass die eine und der andere dann weitermachen. Vor allem weit rechts stehende Jugendliche mit einer Affinität zur Bundeswehr und zum Waffengebrauch werden möglicherweise sich weiter verpflichten und Anschluss bei einem der äußerst rechten Netzwerke bei der Bundeswehr finden.

 

Einsatz an der Heimatfront

Tatsächlich braucht dieses Land in von vielen prognostizierten Kriegszeiten auch Militär an der Heimatfront. Die Notstandsgesetze ermöglichen den Einsatz der Bundeswehr nach innen. Oft genug wird und wurde der Einsatz der Bundeswehr nach innen bei Problemlagen schon diskutiert oder wie z.B. in Heiligendamm 2008 auch offen praktiziert. Laut den unter Kriegsminister Struck im Mai 2003 von der Generalität formulierten Verteidigungspolitischen Richtlinien ist der „Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen“ Aufgabe der Bundeswehr. Was „lebenswichtige Infrastruktur“ und „terroristische und asymmetrische Bedrohungen“ sind, definiert das Kriegsministerium. Ob in einem Kriegsfall überhaupt garantiert werden kann, dass Auslandseinsätze nicht erfolgen, weiß niemand. Auch wenn es sie tatsächlich nicht gibt, warten  viele Aufgaben im Innern des Landes auf die Bundeswehr bzw. den Heimatschutz. AKK betonte auf der letzten Jahrestagung der Reserve der Bundeswehr, dass möglichst viele und gut ausgebildete Reservist*innen das Rückgrat der Einsatzbereitschaft der übrigen Bundeswehr sind. Eine einsatzbereite und stets verfügbare Reserve ist für ein Land als logistische Drehscheibe für die Handlungsfähigkeit der NATO in Osteuropa existenznotwendig. Defender 2020 hat das auch in der durch Corona abgespeckten Art und Weise gezeigt. Zehntausende US-amerikanischer Soldat*innen konnten auf die deutsche Unterstützung zurückgreifen und auf ihre in Deutschland gelagerten immensen Waffensysteme. Laut Werbeseite der Bundeswehr sei es Auftrag des „Heimatschutzes, „u. a. bei Naturkatastrophen oder Großschadenslagen, Pandemien und anderen Ereignissen, die der Anstrengung unseres gesamten Landes mit allen Behörden, staatlichen Institutionen und der Bevölkerung bedürfen, mitzuwirken.“ Wo fängt das „Andere“ an, wo hört es auf?  Geht es vielleicht auch um die Niederschlagung auch von inneren Unruhen?

Kitt der Gesellschaft

Die Kriegsministerin versteht das neue „Angebot“ der Truppe offenbar zudem als einen Schritt auf dem Weg zu einer allgemeinen Dienstpflicht, die der „Kitt der Gesellschaft“ sein soll. Obwohl manche in der SPD und bei den Grünen sich wie üblich noch zieren, gibt es bis auf Die Linke eine ganz große Koalition in dieser Frage.

Zivilmilitärische Zusammenarbeit – ZMZ

Die 1000 Soldatinnen und Soldaten pro Jahr, die zunächst ausgebildet werden,  stocken dann die rund 1 Mio. Reservist*innen auf, die es schon gibt und über deren Rolle nie gesprochen wird. 3 Kompanien Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) wurden für NRW ganz offiziell durch die Landtagspräsidenten in Dienst gestellt. (3)

Bei globalen Einsätzen ist eine gut ausgebildete Reserve laut Weißbuch 2016 „unverzichtbar“ (4 und 5). Waffenproduktion, Transportwege, öffentlichen Einrichtungen müssen zur Not auch durch den Einsatz der Bundeswehr  nach Innen „gesichert“ werden. Durch die Zivil-Militärischen Zusammenarbeit leistet sie ihren Beitrag zur „vernetzten Sicherheit“. In 426 Städten und Landkreisen sind in den letzten ca. 10 Jahren Offiziere der Reserve vom Oberstleutnant aufwärts in den Rathäusern präsent, die im Katastrophenfall gemeinsam mit Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten, wie THW und Rotem Kreuz Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung beraten und durchführen. Die 31 Bezirks- und  426 Kreisverbindungskommandos können jeweils auf mindestens 8 bis 12 Offiziere und Soldaten der Reserve  zurückgreifen. Durch das neue Reservistengesetz könnten Reservist*innen, oft in äußerst rechten Reservistenverbänden organisiert,  bis zum Alter von 65 (!) Jahren aktiviert werden. Das klingt fast schon wie „Volkssturm“.

Ungefähr 5500 Offiziere stehen also jetzt schon Tag und Nacht bereit, die Polizei und die Feuerwehr zu „beraten“. Dieses neue „territoriale Netzwerk“ der Bundeswehr schließt 16 Standorte der Bundeswehr als Spezialstützpunkte ein, in denen z.B. besonders für die Abwehr von CBRN-Gefahren ausgebildete Kräfte auf ihren Einsatz vorbereitet sind. Unter CBRN-Gefahren versteht man chemische (C), biologische (B), radiologische (R) und nukleare (N) Risiken, die in Deutschland wahrscheinlich sind oder werden könnten.

 

Ausblick

Dein Jahr für Deutschland soll eine Lücke von zumindest für 6 Jahre regelmäßig trainierten Soldat*innen füllen. Mit 1000 Jugendlichen soll ein Anfang gemacht werden. Das ist ein Teil der Aufrüstung. Wie es weitergehen soll, weiß noch niemand. AKK ist eine Anhängerin der „allgemeinen Dienstpflicht“. Es kann vermutet werden, dass jetzt eine aktive Eingreiftruppe an der Heimatfront gegründet wird. Oder dass doch irgendwann die allgemeine Dienstpflicht kommt. Auch an der Heimatfront soll Krieg führbarer gemacht werden.

 

An die 2000 Milliarden US-$ werden Jahr für Jahr für Mordwaffen ausgegeben. Oft noch unter dem Motto: Willst du den Frieden, bereite den Krieg vor. Dieser Satz ist nie in der Menschheitsgeschichte verifiziert worden. Die Atomkriegs-Uhr, Doomsday-clock, steht auf 2 Minuten vor 12.  Eine Milliarde sind tausend Millionen. Für unser aller Tod im Krieg. Jede Aufrüstung führt zum Krieg.

Wolfgang Dominik

Der Beitrag ist zuerst in der SoZ 9/2020, S. 6 erschienen

Kommentare sind geschlossen.