Interessenkonflikte in der NATO

Im Vorfeld des heutigen NATO-Gipfels hält die Debatte um weitere Erhöhungen der Rüstungsausgaben an. Für Florian Rötzner auf Telepolis handelt es sich bei der Bestätigung des 2-Prozent-Ziels um ein Entgegenkommen, um Trump auf antirussischem Kurs zu halten. Der sei für den Zusammenhalt der europäischen Nato-Länder bedeutsam.

Für German Foreign Policy suggeriert die Bundesregierung, den Forderungen Trumps nachzukommen, während es in Wirklichkeit darum gehe, „teure nationale bzw. europäische Rüstungs- vorhaben zu finanzieren, darunter ein milliardenschwerer, im Verbund mit Killerdrohnen und Drohnenschwärmen operierender deutsch-französischer Kampfjet. Bedeutende Projekte, die auf dem NATO-Gipfel abgesegnet werden sollen, sind ebenfalls geeignet, Fähigkeiten zur nationalen bzw. europäischen Kriegführung zu stärken.“

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW lehnt die geplante Erhöhung der Militärausgaben auf 2 % der Wirtschaftsleistung ab. „Das Leiden der von Krieg betroffenen Menschen ruft die Welt dazu auf, mit zivilen Mitteln Prävention zu betreiben. Darin wäre eine Friedens- und Sicherheitsstrategie zu erkennen, nicht aber in dem 2%-Konjunktur- programm für die Rüstungsindustrie“, erklärt Susanne Grabenhorst, stellvertretende Vorsitzende der IPPNW.

Erinnerung an einen Kriegsverräter

Der Deserteur und Friedenskämpfer Ludwig Baumann, hier am Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz,  ist am vergangenen Donnerstag im Alter von 96 Jahren in Bremen gestorben. Zu seinen größten politischen Erfolgen gehörte die Rehabilitierung der Opfer der Wehrmachtsjustiz. Die Junge Welt veröffentlicht heute einen Nachruf. Am Ende des Artikels heißt es: „Er hat es geschafft, den von den Nazis diffamierend gemeinten Begriff des »Kriegsverräters« in einen antimilitaristischen Ehrentitel umzudeuten: Was könne es Besseres geben, als den Krieg zu verraten, betonte er immer wieder. Das sollte anspornen, weiter- zumachen: Noch immer gibt es Kriege, die verraten gehören.“

Völkerrecht und Syrienkrieg

Tagesschau.de meldet heute: „Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat die militärische Präsenz der USA und Russlands in Syrien untersucht. Das Gutachten übt Kritik am US-Einsatz – und das betrifft auch die Bundeswehr.“ Die Juristen kämen zu dem Ergebnis, dass völkerrechtlich der Einsatz amerikanischer Truppen nicht gerechtfertigt sei. „Schon die Bewaffnung und Ausbildung der syrischen Rebellengruppen durch die USA stelle einen Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot dar“, heißt es im Nachrichtentext. Die Beteiligung der Bundeswehr am US-geführten Einsatz in Syrien ist damit rechtlich in Frage gestellt.

Friedensplenum im Juli

Das Treffen des Bochumer Friedensplenum am kommenden Mittwoch, dem 11. Juli, fällt ausnahmsweise aus. Unser nächstes Treffen am 25. Juli wird im Bahnhof Langendreer stattfinden, denn das Haus der Begegnung ist zu der Zeit wegen Urlaub geschlossen. An diesem 25. Juli wird eine Aktion des Friedensplenums geplant, mit der an die Folgen des Atombombenabwurfs über Hiroshima und Nagasaki erinnert werden soll. Das Friedensplenum setzt sich dafür ein, dass Deutschland dem UN-Vertag zum Verbot von Kernwaffen beitritt.

Stadt Bochum gegen Atomwaffen

Am heutigen Sonntag  (8. Juli) weht die Flagge „Mayors for Peace“ vor dem Rathaus. Die Stadt Bochum will damit ein sichtbares Zeichen für eine friedliche Welt ohne Atomwaffen setzen –gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Bewegung „Bürgermeister für den Frieden“. Die Stadt zeigt seit 2005 Flagge – Bochum und weitere rund 270 Städte in Deutschland bekennen sich am Flaggentag zu der Idee der Bewegung. Die „Mayors for Peace“ erinnern an das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juli 1996, wonach bereits die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen gegen internationales Recht und gegen Vorschriften und Prinzipien des humanitären Völkerrechts verstößt. Der Grund: Der Einsatz von Atomwaffen trifft immer Zivilisten; er nimmt keine Rücksicht auf Grenzen oder Zeiträume. Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zeigen noch heute – nach über 70 Jahren – die schrecklichen Folgen. „Das ist für uns Mahnung und Verpflichtung, uns in einer Welt, die von zahllosen gewalttätigen Konflikten, kriegerischen Auseinandersetzungen und Terrorismus geprägt ist, gemeinsam für friedliche Lösungen einzusetzen. Deshalb sollten Atomwaffen keinen Platz in dieser Welt einnehmen“, unterstreicht Oberbürgermeister Thomas Eiskirch.

In diesem Jahr appellieren die „Bürgermeister für den Frieden“ mit der Aktion überdies an die Atommächte und weitere Staaten der Weltgemeinschaft, den im Juli 2017 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen.

Was wir für die NATO leisten

Normalerweise hat die deutsche Regierung angesichts einer eher skeptischen Bevölkerung wenig Interesse daran, ihre Militärausgaben in den Vordergrund zu rücken. Angesichts der Kritik aus den USA vor dem NATO-Gipfel in der kommenden Woche aber stellt die deutsche Verteidigungsministerin das Ausmaß der deutschen Aufrüstungspolitik im Interview mit der WAZ  stolz heraus: „Mit dem Kabinettsbeschluss in dieser Woche soll der Etat um ganze elf Prozent binnen eines Jahres steigen. Noch überzeugender als der Blick aufs Geld ist, was wir heute bereits tatsächlich für die NATO leisten: Wir sind der zweitgrößte Truppensteller, übrigens auch in Afghanistan. Wir richten ein neues NATO-Kommando in Ulm ein. Wir sind außerdem das einzige kontinentale Land in Europa, das beim Schutz der östlichen Grenze eine Führungsrolle übernommen hat.“ Von der Leyen bekräftigt, bis 2024 „erstmal“ 1,5 Prozent vom BIP ausgeben zu wollen, das bedeute „nach heutigen Prognosen eine Erhöhung des Bundeswehretats innerhalb einer Dekade um 80 Prozent.“

Missverhältnis bei Militärausgaben

Man kann gar nicht oft genug wiederholen, wie absurd die Begründung für das Immer-Höher-Rüsten der NATO-Staaten angesichts der tat- sächlichen russischen Senkung des Militärhaushaltes ist. IMI -Aktuell  führt heute dazu an: „RFE/RL vergleicht die russischen Militärausgaben mit denen der europäischen NATO-Länder. Der Rundfunksender, der sicher nicht im Verdacht steht, allzu russlandfreundlich zu sein, weist dabei darauf hin, dass das russische Budget von 69,2 Mrd. Dollar (2016) um 20% auf 55,3 Mrd. Dollar gesunken sei. Das ist weniger als der europäische NATO-Top-Rüster, Frankreich (56,3 Mrd.). Zusammengenommen gaben die europäischen NATO-Staaten mehr als viermal so viel wie Russland aus: 242 Mrd. Dollar.“

Steigender Militärhaushalt

Am Freitag will das Kabinett den Militärhaushalt für das kommende Jahr beschließen. Für 2018 war der Einzelplan 14 schon auf 38,5 Milliarden Euro erhöht worden. Für 2019 sind nach weiteren Anhebungen jetzt 42,9 Mrd. Euro vorgesehen.  In den folgenden Jahren soll die Steigerung geringer ausfallen: ein Anstieg auf 42,93 Milliarden Euro im Jahr 2020, auf 43,88 Milliarden 2021 und dann wieder ein leichtes Absinken auf 43,86 Milliarden Euro im Jahr 2022. IMI- Aktuell ist da skeptisch: „Schon in den letzten Jahren erfolgte immer dasselbe Spiel: Einer saftigen Erhöhung im ersten Jahr folgten nur noch schwache Steigerungen in der Vorausplanung – mutmaßlich, um so Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Im nächsten Jahr wird dann die finanzielle Vorausschau wieder einkassiert, eine saftige Erhöhung für das nächste Jahr eingestellt, und so weiter.“ Laut „Augen geradeaus“ wird das 2-Prozent-Ziel, das die NATO anstrebt, damit nicht erreicht. Demnach wird  “ der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, aufgrund der erwarteten guten Konjunkturentwicklung weiter zurückgehen und nicht nur unter den im Bündnis angestrebten zwei Prozent, sondern auch deutlich unter der Zusage von 1,5 Prozent für 2024 bleiben.“

Selbstmorde von Kriegsveteranen

Die Nachdenkseiten veröffentlichten gestern einen Artikel des US-Journalisten Will Porter, in dem es um Erklärungen für die hohe Selbstmordrate von Kriegsveteranen geht. Ein Veteran berichtete ihm: „Im Hintergrund wissen wir, was wir getan haben. Wir wissen, dass wir nicht für die Freiheit gekämpft haben. Ich glaube, es ist schädlich, wenn sich jemand an diese Heldengeschichte klammert. Man muss innerlich damit kämpfen. Ich bin wirklich überzeugt, das ist der wesentliche Faktor, der bei vielen Menschen zum Selbstmord führt. Sie sind nicht in der Lage, darüber zu sprechen, nicht in der Lage, es an die Oberfläche zu bringen und damit umzugehen.“

Kriegsübungen

German-Foreign-Policy veröffentlichte heute einen Bericht über „Manöver im zivilen Umfeld“. Es geht um das Training der „Speerspitze“ der Bundeswehr, der „Very High Readiness Joint Task Force Land“, die Krieg in der Stadt , Krieg auf dem Bauernhof, Krieg im Dorf zu führen übt. Im Herbst wird das  NATO-Großmanöver „Trident Juncture“  in Norwegen und Island stattfinden; beteiligt sind mehr als 40.000 Soldaten aus den NATO-Staaten sowie aus den formal neutralen Ländern Finnland und Schweden. Dort soll geübt werden, wie die Militärs mittels der deutsch geführten Eingreiftruppe auf die „Verletzung der Souveränität Norwegens“ durch einen Aggressor reagiere. Damit ist selbstverständlich Russland gemeint.