Vertrautes

Als „Internationale Räuberbande“ würden heutige Abgeordnete die Rüstungsindustrie vielleicht nicht bezeichnen, doch die Fakten, die Karl Liebknecht vor hundert Jahren im Reichstag vorbrachte, klingen sehr vertraut. Rainer Zilkenat hat sie unter dem Titel „Eine Jahrhundertrede“ zusammengetragen. Da ging es um die die enge Zusammenarbeit zwischen Kaiser und Kanonenkönig Krupp zur  Aufrüstung, den Wechsel hoher Regierungsbeamter aus dem Militärbereich in die Rüstungs- industrie, um Lobbyismus und Korruption, vor allem aber um den lukrativen Export deutscher Waffen in alle Welt, sogar an Serbien, das nicht einmal zwei Monate später der Feind und Anlass zum 1. Weltkrieg war. „Die Firmen dieses Konzerns“, formuliert Liebknecht, „haben den ganzen Erdball in Interessenssphären zur Exploitation unter sich geteilt, um Geld zu münzen aus dem Völkermord, aus der Zwietracht der Völker.“  Die Fakten waren nicht zu widerlegen und so hielt man Lieb- knecht damals schon das Argument entgegen, dass dieser Rüstungs- export Arbeitsplätze und Löhne sichern würde. In seiner Antwort fordert Liebknecht, „daß die Rüstungsindustrie vom Boden verschwindet“ und fragt: „Glauben Sie, daß die Leute, die bis dahin in der Rüstungs- industrie gearbeitet haben, von da an verhungern werden? Werden ihre Hände und Arbeitskräfte nicht für bessere Zwecke, für die Gesamtkultur nützlicher, verwendet werden?“

Immer noch:

Moltke steht für Militarismus

…und den brauchen wir nicht, nicht in Bochum und nicht in Berlin. Seit Wochen informiert das Bochumer Friedensplenum jeden Freitag auf dem abendlichen Markt am Springerplatz. Den möchten seine Betreiber wie zu Kaisers Zeiten nach einem preußischen Feldherren benennen . Dabei respektieren sie den Namen des Platzes, der seit 1947 nach dem Wider- standskämpfer Karl Springer benannt ist, wenig. Das Friedensplenum will nicht zulassen, dass Militarismus und Krieg heute verharmlost werden. Deshalb wird der Protest dagegen auch am Freitag, dem 4. Juli, wieder von 16.00 bis  17.45 Uhr vor und auf dem Markt stattfinden. Nach einer Sommerpause werden die Aktionen dann weitergeführt.

Kunst, Krieg und Gewalt

Vortag im Museum

Heute, 2.7., um 18.00 Uhr hält Ulrich Marquart im Museum, Kortumstr. 147, einen Vortrag über “ Krieg und Gewalt in der Kunst an ausge- wählten Beispielen“. Im Mittelpunkt stehen Bilder der Moderne wie Picassos Guernica, Vostells „Miss America“ und andere.

Einmischen oder zurückhalten?

Mehrheiten gegen Militäreinsätze

Bundespräsident, Verteidigungsministerin, Außenminister und Politik-  berater propagieren militärisches Eingreifen als angebliche Verpflichtung aus der Rolle Deutschlands in der Welt. Laut einer repräsentativen Umfrage im Aufrage der Körber-Stiftung denken die Bundesbürger anders. Unabhängig von Bildung und Parteienpräferenz sprechen sich 60 Rrozent der Befragten für außenpolitische Zurückhaltung aus. 82 Prozent plädieren für weniger Militäreinsätze der Bundeswehr und ebenso viele lehnen Waffenlieferungen ab, sogar, wenn sie an verbündete Staaten gehen. Frieden in der Welt zu sichern wird mehrheitlich als wichtigstes Ziel der Außenpolitik gesehen. Als Mittel werden humanitäre Hilfen,  diplomatische Verhandlungen und Abrüstung bevorzugt, Bundeswehr-  einsätze und Waffenlieferungen aber abgelehnt. Da gibt es noch viel zu tun für die Regierung. Die Körber-Stiftung gibt Handlungsempfehlungen: „Es sollte eindrücklicher vermittelt werden, dass Deutschlands Wohl- stand und Sicherheit mehr als je zuvor von internationalen Entwick- lungen abhängen und die Verfolgung deutscher Interessen unserem Land nützt.“

 

 

Geostrategie und Georgien

Pläne seit Kaiser Wilhelms Zeiten

Vorzeitig wurde am 27. Juni das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und Georgien unterzeichnet. Neben der Ukraine ist Georgien wohl der für die Politik der „Östlichen Partnerschaft“ wichtigste Staat. Unter dem Titel  “ Brücke nach Zentralasien“ beschreibt Jörg Kronauer die heutigen politischen Verhältnisse des pro-westlichen Staates und die geostrategischen Interessen Deutschlands an Georgien von der Kaiserzeit bis heute.

Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?

Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) berichtet: Im Vorfeld der öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses zur Frage von Kampfdrohnen kommenden Montag wurde nun bekannt, dass das Verteidigungsministerium nicht nur die Anschaffung neuer Drohnen     plant, sondern diese auch potenziell bewaffnet sein sollen: „Für die    ‚zu beschaffende‘ Drohne sei ‚konzeptionell eine Bewaffnungsfähigkeit gefordert‘, heißt es in einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion. Egal ob sich die Ministerin also nach der Anhörung für oder gegen eine Bewaffnung entscheidet – die Fluggeräte, die der Bundeswehr in einiger Zeit zur Verfügung stehen dürften, sollen in jedem Fall grundsätzlich dafür geeignet sein, Waffen zu tragen. Damit bliebe die Möglichkeit der Nachrüstung für den Fall, dass sie zunächst unbewaffnet sein sollten.“ (SZ, 24.06.2014)

Ypern mon amour

heißt eine Ausstellung der Essener Künstler Frank Wolf und Harald Reusmann im 4. und 5. Stock des Treppenhaus in der Universitätsbibliothek. Reusmann verwendet Feldpostkarten aus dem ersten Weltkrieg, in die er großformatig mit Hilfe von Computertechnik realistische oder groteske Elemente montiert, um die Verlogenheit der propagandistischen Kriegsdarstellungen bloßzustellen. Die Skulptur von Wolf zeigt eine Figur, die zur Hälfte kriegsbegeisterter Soldat, zur anderen Hälfte schon verwesendes Skelett ist. Die sehenswerte Ausstellung wird im Stockwerk darunter ergänzt durch eine Sammlung von Feldpostkarten aus dem 1. Weltkrieg:  Dokumente einer absurden Propaganda. Im Begleittext dazu heißt es: “ Die Abbildungen waren fast durchweg inszenierter Natur (…) so wie die Fernsehbilder unserer Tage auch.“

Wirkt der Druck aus der Friedensbewegung?

Interessant für den künftigen Kurs der neuen Bundesregierung ist das Vorwort zum Rüstungsexportbericht von Wirtschaftsminister Gabriel. Auszüge daraus sind bei Augen geradeaus abgedruckt. Gabriel betont die „strengen“ Grundsätze bei Rüstungsexporten in Drittstaaten aus dem Jahre 2000, nach denen der Export von  Kriegswaffen nicht genehmigt wird,  „es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen für eine Genehmigung sprechen.“ Die Sicherung von Arbeitsplätzen sei kein Grund für eine Genehmigung, sagt der Minister. Er suche den Dialog mit der Rüstungsindustrie darüber, “ welche technologischen Fähigkeiten am Standort Deutschland erhalten werden sollen, welche Potenziale die europäische Koope­ra­tion bietet, aber auch und insbesondere über Möglichkeiten der Konversion in den nichtmilitärischen Bereich. (…)“   Andererseits warnt Gabriel davor, “ jeden Export von Rüstungsgütern per se zu skandalisieren. Deutsche Unternehmen werden auch in Zukunft nicht nur unsere Bündnispartner, sondern auch andere Staaten mit Rüstungsgütern und Kriegswaffen beliefern…“.

Aufrüstung der Armutsregionen

Als „Merkels Mordsgeschäfte“ bezeichnet Peer Heinelt die Rüstungsexportgenehmigungen in die Feudaldiktaturen am Persischen Golf und in “ die Armutsregionen dieser Welt“. “ Eine geradezu groteske Steigerung erfuhren die Genehmigungen für Rüstungsexporte in die ärmsten Staaten der Welt, zu denen zahlreiche afrikanische Länder zählen. Lag der entsprechende Wert 2012 noch bei 1,92 Millionen Euro, liegt er mittlerweile bei 12,81 Millionen Euro, hat sich also binnen eines Jahres mehr als versechsfacht“, schreibt Heinelt.

Rüstungsexportbericht 2013

Im vergangenen Jahr hat die alte Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von 8,34 Milliarden Euro genehmigt. Neben Sammelausfuhr- genehmigungen gab es grünes Licht für die Einzelausfuhr  von Waffen   im Werte von 5,85 Milliarden Euro. Die wurden 2013 um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr gesteigert. Damit ist ein trauriger Allzeit-Rekord erreicht: Trotz der restriktiven Richtlinien für den Waffenexport in Länder außerhalb der NATO  gehen mehr als 60 Prozent der Kriegsgeräte an sogenannte Drittstaaten. „Die humanitäre Rhetorik von Frieden, Freiheit und Sicherheit wird durch die Rüstungsexportpolitik der Bundes- regierung konterkariert“, kritisiert der Geschäftsführer der ökumenischen Initiative Ohne Rüstung Leben (ORL) und Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, Paul Russmann. „Zu den führenden Empfängerländern deutscher Kriegswaffen zählen menschen- rechtsverletzende Regime in Algerien, Katar, Saudi-Arabien und Indonesien. Das ist ein Skandal.“